QUANTUM SAILS im Vendée Globe-Rennen mit Oliver Heer und Sebastien Marsset
Verfolgen Sie auch mehr oder weniger regelmäßig den Vendée Globe-Tracker in der App oder auf den verschiedenen Yacht-Seiten? Diese längste und wohl faszinierendste aller Offshore-Regatten gilt als der Mount Everest des Segelsports!
In diesem Jahr sind zwei IMOCA-Rennyachten mit Segeln von QUANTUM SAILS ausgerüstet: Zurzeit befinden wir uns in der Mitte des Rennens. Die beiden Teilnehmer Sebastien Marsset und Oliver Heer behaupten sich im hinteren Dritten des Feldes. Das ist kein Zeichen für eine schlechte Leistung oder gar „langsames“ Segeln. Das Feld ist in Foiler neuester Generation (wie zum Beispiel Boris Herrmanns MALIZIA) und nicht-Foiler aufgeteilt. IMOCAs ohne Foils sind meist Designs älteren Datums. Diese VG-Teilnehmer erfüllen sich mit der Teilnahme ihren persönlichen, lebenslangen Traum oder nutzen dieses Vendée Globe, um sich Publikum und Sponsoren für das nächste Rennen zu empfehlen – mit guten Leistungen und natürlich auch möglichst großer medialer Reichweite.
Alle haben gemeinsam: Wer dem unerbittlichen Sturm der Brüllenden Vierziger widersteht – und sei es der Letztplatzierte – hat wahrlich Übermenschliches geleistet! Wir haben mit Oliver Heer via Starlink (was an sich auch schon verrückt ist!) ein Interview geführt:
Warum hast Du Dich für Deinen IMOCA für die Segel von QUANTUM SAILS entschieden?
Oliver Heer: „Im letzten Sommer haben wir uns entscheiden, für unseren IMOCA „TUT GUT“ komplett neue Segel anzuschaffen. Dabei sprachen wir im Prinzip mit allen Anbietern, die Erfahrungen mit IMOCA-Rennyachten haben und auch schon Vendée Globe-Teams ausgestattet haben. Am Ende muss ich sagen, hat uns vor allem die absolut professionelle und auch auf menschlicher Ebene einwandfreie Betreuung durch das QUANTUM SAILS-Team in Lorient überzeugt. Richtig top!“
„Was für meine technische Crew am Ende am meisten Ausschlag gegeben hat, war neben der Betreuung bei QUANTUM SAILS die überragende Qualität der Besegelung, und zwar durchweg. Und es gibt nur eine kleine Handvoll Segelhersteller weltweit, deren Segel die Robustheit und Langlebigkeit für ein Vendée Globe-Rennen mitbringen. Du musst Dir vorstellen, dass fast alle IMOCA-Teams in Lorient ansässig sind. Dazu kommen noch die vielen Mini- und Class 40-Segler sowie die großen Ultim-Teams. Wir sind ein vergleichsweise kleiner Rennstall mit einem überschaubaren Budget. Ich persönlich hatte da einfach auch Bedenken, dass wir sozusagen in der Prio „hinten anstehen“ würden bei anderen Segel-Marken, die für die großen, finanzstarken Teams arbeiten. Bei QUANTUM SAILS war das aber komplett nicht der Fall: Die Jungs behandeln jeden Kunden wie eine „Nummer 1“. Top Service, jederzeit erreichbar, offen für alle Fragen. Die sind sogar oft mit uns rausgegangen zum Testen und um zu schauen, wie ihre Segel stehen!“
„Es ist aber nicht nur der Service: Es ist auch die Expertise. Sie wissen einfach, was sie tun. Es ist erstaunlich, wieviel Background-Wissen von den vielen Vendée Globes und auch anderen IMOCA-Rennen sich angesammelt hat und auch genutzt wird. Sie haben für alle Fragen einen Lösungsansatz. Aber wie gesagt, die enge, persönliche Beziehung zu den Segelmachern ist eigentlich das, was QUANTUM SAILS für mich ausmacht.“
Was müssen gute Segel für Dich leisten?
„An Bord der „TUT GUT“ fahre ich das volle Setup der erlaubten Segel: Großsegel, J3 und J2 Vorsegel und die Leichtwindsegel. Als wir mit den Segeldesignern bei QUANTUM SAILS ein Briefing erarbeitet haben, wie die neuen Segel gebaut werden sollen, stand für mich ganz oben auf der Liste eigentlich nur ein Wort: Zuverlässigkeit!“
„Mein oberstes Ziel für diese Vendée Globe ist, zu finishen. Ich will sicher ankommen! Das bedeutet, dass die Segel in erster Linie auf maximale Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit hin ausgelegt werden sollten. Im Laufe des Design-Prozesses der Segel muss man immer wieder Entscheidungen treffen, die entweder in Richtung Performance oder in Richtung Haltbarkeit gehen. Wenn mich also die Segelmacher von QUANTUM SAILS wieder gefragt haben, wie ich mich bei bestimmten Details entscheide, habe ich grundsätzlich immer die Haltbarkeit der Performance vorgezogen. Mein Großsegel hat vor dem Vendée Globe-Start beispielsweise zwei Atlantik-Überquerungen mitgemacht: Und es ist noch immer vollkommen beschädigungsfrei, hat ein tadelloses Profil und macht einen fantastischen Job!“
Wie sieht für Dich die generelle Strategie für die Vendée Globe 2024 aus?
„Wie ich oben schon sagte, mein großes Ziel ist es, anzukommen. Daher segle ich sehr konservativ und versuche vor allem keine dummen Fehler zu machen. Im übrigen haben wir uns in diesem Zusammenhang beispielsweise entschieden, den großen A2-Gennaker zu Hause zu lassen – also das große Downwind-Segel – und statt dessen einen kleinen A8 mitzunehmen. Die Idee ist, dass ich dann zumindest für Leichtwind noch ein Art „Crossover-Segel“ habe, falls ich eines der Hauptsegel verlieren oder zu stark beschädigen sollte. Ich möchte also ein allzu großes Loch in meiner Segel-Palette vermeiden.“
„Bis jetzt – klopf´auf Carbon – habe ich keinerlei Probleme mit meinen Segeln von QUANTUM. Es sind keine Beschädigungen oder sonst irgendwelche Auflösungserscheinungen zu erkennen. Daher bin ich sehr guter Dinge, dass meine Strategie funktionieren wird und … mal sehen, wo wir uns am Ende wiederfinden werden.“
Danke, Oliver Heer für diesen Einblick – umso faszinierender, dass wir beim Interview das Heulen des Windes, die überkommende Gischt und das Knarzen des Carbons hören konnten! Wir wünschen allen Vendée Globe-Skippern weiterhin ein aufregendes und vor allem sicheres Rennen!
Zurück zu QUANTUM SAILS:
Was sagt der Segel-Designer zu den IMOCA-Segeln?
Wir fanden Oliver Heer´s Ausführungen so interessant, dass wir einen der Top-Spezialisten für die Open 60 IMOCA-Klasse und die Vendée Globe-Projekte bei QUANTUM SAILS kontaktiert haben. Gildas Dubois ist eine Größe im Rennsport, selbst aktiver Regattasegler in der französischen Offshore-Szene und Segeldesigner bei QUANTUM SAILS.
Wir wollten als erstes wissen, was – wenn es denn einen gibt – der Unterschied seiner Arbeit ist, wenn der Kunde ein Vendée Globe-Setup bestellt oder einen Satz Fahrtensegel: „Zunächst muss man feststellen, dass so ein IMOCA bei der Vendée Globe ein komplett anderes Programm segelt. Wir sprechen hier von Windgeschwindigkeiten in einer Range von 5 bis 60 Knoten true wind. In diesem Bereich müssen die Segel funktionieren. Hinzu kommt, dass wir die Segel für einen IMOCA für Windwinkel zwischen 45 und 170 Grad entwickeln. Dann gehen wir jedes einzelne Segel durch und legen die Rahmenwerte fest: Wir wollen den Skipper und sein Vorhaben verstehen, seine Strategie und auch die Art, wie er segeln will. Oftmals sind auch schon Segel vorhanden, zu denen unsere neuen dann auch passen müssen. Das Boot selbst ist auch wichtig: Wir müssen den IMOCA als Ganzes verstehen, seine Vorteile und auch seine Schwachstellen. Erst dann können wir wirklich gute Vorschläge machen. Am Ende haben wir dann einen Segelsatz, wo alles ineinander greift und ein so genanntes Sail Chart, welches alle Segel und deren Einsatzbereiche grafisch und als Datensatz zeigt.“
Was sind für die Vendée Globe-Skipper die wichtigsten Aspekte der Segel?
„Für die meisten Teams sind die Themen Haltbarkeit und Beständigkeit sehr wichtig. Das bereitet ihnen die größten Sorgen. Andererseits müssen sie extrem auf das Gewicht achten, denn jedes Kilo weniger macht einen IMOCA schneller. Die Kunst dabei ist, die beste Balance zwischen diesen beiden Gegensätzen zu finden. Man darf nicht vergessen, dass so ein IMOCA ein sehr, sehr leistungsfähiges Boot ist – Rigg und Segel müssen enormen Belastungen standhalten, weshalb in die Segel-Entwicklung dann auch sehr viel mehr Daten einfließen, als bei einem normalen Fahrtenboot.“
„Wie ich eingangs sagte, ist der Einsatzbereich jedes Segel vorrangig, also welches Segel für welchen Wind und welchen Kurs genutzt werden soll. Da hat jeder Skipper oftmals seine ganz eigenen Vorstellungen. Diese und noch mehr persönliche Vorlieben und Wünsche fließen dann ins Design ein. Das geht bis in das kleinste Detail: So fährt Sebastien Marsset auf seiner „FOUSSIER“ beispielsweise am Vorliek des Großsegels eine extra Tape-Verstärkung, damit er sich – im Falle eines Falles – beim Auf- und Abstieg in den Mast unterwegs besser festhalten und absichern kann.“
Gibt es neben dem Design auch Unterschiede im Material der Vendée Globe-IMOCAs?
„Ja und nein. Komponenten, Rezepte und Verfahren, die in allen QUANTUM SAILS Fusion M-Segeln stecken, sind immer identisch. Es macht dabei keinen Unterschied, ob diese Segel dann für eine Regatta- oder eine Fahrtenyacht eingesetzt werden. Die Qualität ist immer gleich hoch. Der Unterschied ist tatsächlich nur der Design-Aufwand. Ein ganzer Segelsatz für eine 25.000 Meilen-Einhand-Regatta erfordert natürlich mehr Zeit als zum Beispiel Großsegel und Fock für eine 30 oder 50 Fuss-Fahrtenyacht. Dafür haben wir umfangreiche Daten und fertige Produktionsstandards.“
„Für Vendée Globe oder TP52 und andere Grandprix-Projekte mit den höchsten Ansprüchen (und Budgets) nutzen wir zudem alle Komponenten unserer iQ-Software. Dieses mächtige Tool kann das sogenannte „flying shape“ exakt simulieren. Wir können untersuchen, wie sich das Segel unter verschiedenen Windlasten und verändertem Segeltrimm verändern wird. Wenn wir dann etwas am Riggtrimm, 3D-Segeldesign, Faserlayout oder Faserorientierung ändern, zeigt iQ uns, ob das Segel effizienter, also schneller wird. IQ ist ein extrem leistungsfähiges System, mit dem wir die rein empirische Entwicklung früherer Tage hinter uns lassen und Segeldesign nahezu vollkommen datenbasiert und virtuell wird. Dennoch müssen wir mit unseren Kunden aufs Wasser und die Ergebnisse überprüfen – Segelmachen ist immer noch eine sehr komplexe Sache, die viel Wissen in vielen Bereichen erfordert. Und Erfahrung.“
Oliver Heer hat uns schon einen Einblick gegeben:
Wie sieht denn so ein Standard-Segelsatz eines IMOCAS aus?
„Das ist genau der Punkt! Da nicht nur die Skipper individuell und sehr unterschiedlich sind, sondern auch die IMOCAs selbst, kann man schwer einen „Standard“ definieren. Aber am Beispiel vom Sebastien Marssets nicht-foilenden Boot kann ich das gern einmal auflisten: Er segelt ein durchgelattetes Großsegel mit 160 Quadratmetern mit Squaretop und 3 Reffs, eine J2-Fock von knapp 90 Quadratmetern, dann die J3-Fock mit nur noch 40 Quadratmetern und eine Sturmfock mit 20 Quadratmetern, die er bei Bedarf fliegend setzen kann. Für Vorwindkurse hat er einen „Maulwurf“ an Bord, wie wir das Segel bei uns in Frankreich nennen: Ein großes J1.5-Vorsegel. Er kann dieses auch anstelle des J2 bei stärkerem Wind segeln. Denn J2 und das Großsegel sind die beiden wichtigsten an Bord, die müssen in jedem Fall heil bleiben!“
„Im Bereich der Reaching- und Downwind-Segel fährt er einen Code 0 mit circa 130 Quadratmetern und einen großen Reaching-Gennaker mit rund 210 Quadratmetern der am Mast-Topp gefahren wird. Das letzte und größte Segel ist der A2 Gennaker mit knapp 400 qm, der auf reinen Downwind-Kursen eingesetzt wird.“
IMOCAs werden von Generation zu Generation schneller:
Hat das auch die Segel verändert?
„Ja, absolut! Die immer höhere Geschwindigkeiten dieser Rennyachten haben zur Folge, dass sie mit einem immer kleineren scheinbaren Windwinkel segeln. Das gilt insbesondere für die Downwind-Segel. Das sieht man daran, dass der früher noch übliche A2-Gennaker fast komplett verschwunden ist, zumindest bei den modernen Foiling-IMOCAs. Zudem, ein 400 Quadratmeter-Segel ohne Furling-Technik einhand zu bedienen ist ziemlich … unmöglich.“
Bis zu welchem Grad kann ein Vendée Globe-Skipper das Segel reparieren?
„Ich würde sagen, solange die Struktur eines Segel nicht kaputt ist, können Skipper bei fast allen Beschädigungen zumindest Reparaturen ausführen, die sie weitersegeln lassen. Jeder hat normalerweise ein ganzes Set an Bord, um alle möglichen Probleme an den Segeln angehen zu können: Vorgefertigte, bereits mit Klebstoffen versehene Verstärkungen und vorgefertigte Tuchstücke. Neben den eher selten benutzten Näh-Werkzeugen finden sich hier vor allem aber spezielle Klebstoffe, die auch bei Feuchtigkeit kleben und größere Reparaturen ermöglichen. Das mag allerdings kaum jemand, denn man kann sich vorstellen, dass es sehr schwierig ist, in der engen, feuchten Umgebung der IMOCAs zu arbeiten. Denn das muss bei jedem Seegang draußen an Deck gemacht werden, weil einige Segel schlicht zu groß sind, um sie nach innen zu schaffen.“
Gildas, vielen Dank auch an Dich für diese interessanten Einblicke in die Segel-Thematik bei der Vendée Globe! Sie sehen: Unsere QUANTUM SAILS-Experten kümmern sich genauso intensiv und persönlich um die Vendée Globe-Skipper wie um Sie: Unsere Kunden. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Spaß und Spannung bei der zweiten Hälfte des diesjährigen, zehnten Vendée Globe – und „unseren“ beiden QUANTUM-Skippern natürlich besonders viel „bon vent“!
LINKS: